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Ein schreckliches Verbrechen


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Oftmals sorgen schreckliche Verbrechen für einen Aufschrei in den Medien, verlieren dann aber an Bedeutung. Wie beispielsweise der Mord an dem US-Seglerpaar Kathy Brandel und Ralph Hendry im Februar 2024 vor Grenada, über den weltweit berichtet wurde. Mittlerweile ist der Fall - zumindest juristisch - abgeschlossen, die Täter wurden unlängst verurteilt. Davon handelt dieser Artikel.


Vorweg aber noch eine Anmerkung. Natürlich gibt es Vorfälle in der Karibik, die auf den ersten Blick den Eindruck erwecken könnten, das Revier sei gefährlich. Wir haben bis heute allerdings keinerlei negativen Erfahrungen gemacht, obwohl wir in oder zumindest nahe an Gebieten gesegelt sind, denen der Ruf anhaftet, gefährlich zu sein - wie Venezuela, Kolumbien oder auch Haiti. Auch können nicht alle Karibikstaaten über einen Kamm geschert werden. Die Karibik besteht aus einer Vielzahl an souveränen Staaten und etlichen Überseegebieten, dazu die Anrainerstaaten in Mittel- und Südamerika. Überfälle auf Yachten, bei denen körperliche Gewalt angewendet wird, kommen nur sehr selten vor. Aber ja, es gibt sie. So wie auch in Berlin, Köln oder Hamburg. Bei den meisten gemeldeten Vorkommnissen handelt es sich um Diebstähle. Einen guten Überblick über die Gefährdungslage für Segler in der Karibik bietet das "Caribbean Safety and Security Net", im Netz zu finden unter https://safetyandsecuritynet.org.



Grenada - Es war der 19. Februar 2024, als ein grausames Verbrechen die Segelcommunity in der Karibik aufschrecken ließ. In dieser Nacht verschwand der Katamaran „Simplicity“, eine St. Francis 48, aus der Bucht Grand Anse südlich von Grenadas Hauptstadt St. George’s.

Schnell wurde klar, dass das Eignerpaar aus den USA, die damals 70-jährige Kathy Brandel und ihr 67-jähriges Ehemann Ralph Hendry, Opfer eines Verbrechens geworden waren. Nur zwei Tage später wurden die Täter geschnappt und jetzt, eineinhalb Jahre nach der Tat, zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Richterin Paula Gilford vom High Court in Grenada bezeichnete den Fall als den „abscheulichsten“ in ihrer gesamten Karriere. Denn während des Prozesses wurden immer mehr Details der Mordnacht bekannt.


Am Abend vor ihrem Tod war das Seglerpaar noch gut gelaunt in einem Restaurant gesehen worden. Nichts deutete darauf hin, dass die beiden die Insel in den kommenden Tagen verlassen wollte. Schon gar nicht mitten in der Nacht. Die Segler galten als besonnen und erfahren, lebten seit zehn Jahren auf ihren Boot. Etwas musste also vorgefallen sein.


Besorgte Freunde checkten daraufhin die AIS-Daten der „Simplicity“ und sahen, dass der Katamaran Grenada noch abends um 22 Uhr verlassen und am kommenden Tag gegen 18 Uhr auf St. Vincent, 80 Seemeilen nördlich, angekommen war. Dort lag das Boot schlecht verankert in einer Bucht, die Genua flatterte halb zerrissen am Vorstag. Ein benachbarter Segler ging an Bord, wollte schauen, ob alles in Ordnung sei. An und unter Deck entdeckte er Blut, viel Blut. Die Kabinen waren durchwühlt, aber niemand an Bord. Geschockt rief er die Küstenwache.



Hier nahm das Unglück seinen Lauf: Grand Anse auf Grenada
Hier nahm das Unglück seinen Lauf: Grand Anse auf Grenada

Die Aufklärung des Falls dauerte nicht lange. Schnell wurde das Verschwinden des US-Paares mit dem Ausbruch dreier Häftlinge aus einer Arrestzelle der South St. George’s Polizeistation in Verbindung gebracht, die wegen Vergewaltigung, versuchter Vergewaltigung, Diebstahl und Raub mit Gewalt verhaftet worden waren. Während die Polizei länderübergreifend nach den Entflohenen suchte, sorgte das viele Blut an Bord für schlimmste Befürchtungen.


Nach Hinweisen aus der Bevölkerung auf St. Vincent schlugen zwei Tage nach dem mysteriösen Verschwinden des Katamarans die Royal St. Vincent Police und die Grenadians Police Force in einer gemeinsamen Operation zu. In einem kleinen Dorf kam es zum Schusswechsel, bei dem einer der geflohenen Straftäter verletzt wurde.


In einer Pressemitteilung der Royal Grenada Police Force (RGPF) hieß es tags darauf, dass nach „vorläufigen Informationen der Ermittler in St. Vincent die drei Männer mit einer Yacht aus Grenada nach St. Vincent kamen. Die RGPF arbeite derzeit an Hinweisen, die darauf schließen lassen, dass die beiden Insassen der Yacht dabei getötet worden sein könnten.“ Wenig später berichteten lokale Medien, zwei der drei Verhafteten hätten den Mord an den Seglern gestanden.

80 Seemeilen auf der Flucht
80 Seemeilen auf der Flucht

Wie im Prozess bekannt wurde, lauerten die drei Täter nach ihrer Flucht aus der Zelle dem Ehepaar am Ufer auf und zwang es, sie mitzunehmen auf ihre Yacht. Kathy Brandel und Ralph Hendry waren schlicht zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen.


Wie die Tatverdächtigen im Prozess gestanden, schlugen sie das amerikanische Ehepaar, fesselten und knebelten es. Einer der Täter vergewaltigte Brandel, bevor die beiden Segler nach Stunden der Pein auf hoher See über Bord geworfen wurden. Ralph Hendry soll noch versucht haben, zu dem Dinghy, das an einer langen Leine am Katamaran befestigt war, zu schwimmen, aber der Rädelsführer des Trios, der 30-jährige Ron Mitchell, soll nach Aussagen seiner Komplizen gewendet und den schwimmenden Hendry überfahren haben, als der versuchte, das Dinghy im Schlepptau zu erreichen.


In Anwesenheit von fünf Familienmitgliedern der Opfer versuchte die Verteidigung der Angeklagten, Armut und soziale Herkunft als mildernde Umstände geltend zu machen. Die Richterin wies dies aber zurück und verurteilte die drei Täter wegen der Schwere der ihnen zur Last gelegten Delikte zu langen Haftstrafen. Ihr restliches Leben dürften die Täter hinter Gittern verbringen.


Ron Mitchell, der Rädelsführer, wurde zu zwei lebenslangen Haftstrafen wegen Mordes an Kathleen Brandel und Ralph Henry verurteilt, von denen er mindestens fünfzig Jahre verbüßen muss, bevor er Anspruch auf Bewährung hat. Zusätzlich verurteilte ihn die Richterin zu neun Jahren wegen Einbruchs, jeweils zu fünf Jahren für die Entführungen der beiden und zu 18 Jahren wegen Raubes mit Gewalt.


Seine Mitangeklagten, Atiba Stanisclaus (27) und Trevon Robertson (21), wurden wegen Totschlags verurteilt. Stanisclaus erhielt dreißig Jahre für jeden Totschlag, neun Jahre für Hausfriedensbruch, 17 Jahre für die Vergewaltigung von Brandel, fünf Jahre sowie vier Jahre für die Entführung und 17 Jahre für Raub mit Gewalt. Robertson erhielt 28 Jahre für jeden Totschlag, sieben Jahre für Hausfriedensbruch und Haftstrafen von jeweils fünf Jahren für die Entführung.


Wie die örtliche Tageszeitung The New Today berichtete, berücksichtigte Richterin Gilford auch die internationale Aufmerksamkeit des Falles und den potenziellen Schaden für Grenadas Ruf als „friedliches, touristenfreundliches Reiseziel“. Die Verurteilten, deren Gesichter teilweise mit Bandanas bedeckt waren, wurden aus dem Gerichtssaal zu einem wartenden Polizeifahrzeug eskortiert und zurück ins Richmond Hill Gefängnis gebracht, wo sie ihre Haftstrafe absitzen werden.


Selbst die Anwälte der Täter zeigten sich zufrieden mit dem harten Urteil. Gemeinsam erklärten sie, dass Grenada der Welt zeigen musste, dass wir ein Rechtsstaat sind, in dem die Strafe dem Verbrechen angemessen sei. Ein Verteidiger betonte, dass die Verbrechen nicht den Charakter der grenadischen Gesellschaft widerspiegelten, ein anderer sprach von „einer der heimtückischsten Taten auf See“.


Die Familienangehörigen der Opfer gaben keine Erklärungen im Gericht ab und verließen das Gelände nach der Urteilsverkündung schnell. Immer noch suchen sie einen Platz der Trauer. Denn bis heute wurden die Leichen von Kathy Brandel und Ralph Hendry nicht gefunden.


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Kurz nach der Tat hatte ich für das Floatmagazin über den Fall berichtet. Den Artikel findet Ihr hier.

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beim segeln 2.HEIC

Über mich

Jens Brambusch, Jahrgang 1972, ist studierter Islamwissenschaftler und arbeitete viele Jahre als Reporter  bei der Financial Times Deutschland (FTD) und dem Wirtschaftsmagazin Capital . Ausstieg 2018. Seitdem Buchautor und freier Journalist. Schreibt noch gelegentlich für Magazine wie Stern, Spiegel oder Capital, regelmäßig für das Wassersportmagazin Float. 

 

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